Interview mit Frau Angelika Maase
Als Leiterin der Stabstelle für Pflegeentwicklung des Universitätsklinikums Münster (UKM) setzt sich Frau Maase mit vielfältigen Themen des täglichen Krankenhausbetriebs auseinander, unter anderem mit der Integration internationaler Pflegefachkräfte. Wie viele andere Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen auch, hat sich das UKM schon im Jahr 2014 auf den Weg gemacht und begonnen internationale Pflegefachkräfte anzuwerben und in den klinischen Alltag zu integrieren. Dies hat Frau Maase zum Anlass genommen sich näher mit den Chancen und Herausforderungen, die internationale Anwerbung mit sich bringt, auseinanderzusetzen. Wie sie dies getan hat, erzählt sie selbst in diesem Interview.
Frau Maase, Sie arbeiten am UKM in der Stabsstelle für Pflegeentwicklung und Pflegewissenschaft. Erzählen Sie bitte kurz etwas über ihren Hintergrund und inwiefern diese Arbeit etwas mit dem Thema der Anwerbung internationaler Pflegefachkräfte zu tun hat?
Mein Name ist Angelika Maase, ich arbeite nun seit mehr als 25 Jahren in unterschiedlichsten pflegerischen Fach- und Führungspositionen der Akutversorgung. Ich bin Fachkrankenschwester für Intensivpflege und Anästhesie, Dipl.-Pflegewirtin und habe an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar Pflegewissenschaften im Master studiert. Im Universitätsklinikum Münster leite ich die Stabsstelle Pflegeentwicklung und dort auch die Abteilung für internationale Pflegefachkräfte. In dieser Rolle bin ich schon seit dem Jahr 2014 mit der Akquise und Integration von Pflegenden aus dem Ausland betraut und konnte in dieser Zeit vielfältigste Erfahrungen sammeln.
Im letzten Jahr ist Ihr Buch „Internationale Pflegefachkräfte in der akutmedizinischen Versorgung: Kulturelle Herausforderungen und Spannungsfelder“ im Mabuse Verlag erschienen. Was hat Sie dazu motiviert sich diesem Thema zu widmen?
Zum einen haben mich die beruflichen Erfahrungen in der Integration internationalen Pflegender in meinem beruflichen Setting motiviert mehr dazu zu erfahren, mit welchen Konfliktfeldern die Kolleg*innen aus dem Ausland in deutschen Krankenhäusern konfrontiert werden. Zum andern finde ich die Thematik der kulturellen Diversität auch vor dem Hintergrund pflegeethischer und sozialwissenschaftlicher Theorien hochspannend in der Betrachtung. Was für den einen Teil unserer Gesellschaft unter dem Fokus ‚Vielfalt belebt’ eine kulturelle Bereicherung darstellt, zeigt sich bei anderen eher als überfordernd, sie erleben diese Diversität als schwierig und sind besorgt. Sowohl für die migrierten Pflegenden als auch für die Organisationen stellt diese Strategie der Personalgewinnung eine große Herausforderung dar. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Wertvorstellungen sowie gesellschaftliche Einflüsse und verschiedene berufliche Sozialisationen treffen in diesem Integrationsprozess aufeinander. Im Pflegeberuf, einem Beruf in dem die Fürsorge als eine Maxime des Berufsbildes eine erhebliche Bedeutung hat, werden ausgrenzendes Verhalten und Stigmatisierungen selten bis gar nicht öffentlich thematisiert. Die Integration in eine neue Kultur lässt bewährte Grenzen verschieben und hat große Auswirkungen auf das Leben und Erleben der migrierten Pflegefachkräfte und damit auf das gesamte System Krankenhaus. Spannungen und Konflikte können eine Folge sein, ebenso aber auch die Chance eine Gesellschaft der kulturellen Diversität als bereichernd für sich und das System zu erleben.
Welche Erkenntnisse kann uns das Buch für die Zusammenarbeit mit international angeworbenen Fachkräften liefern?
Das Buch gliedert sich in ein internationales Literaturreview, dessen Synthese wertvolle Impulse zu kulturellen Herausforderungen im Integrationsprozess aufzeigt, kulturelle Konfliktlinien erkennen lässt und fördernde Faktoren der Integration darstellt.
Der Hauptteil des Buches bildet die Darstellung der qualitativen Forschungsarbeit ab. Die wissenschaftlichen Auswertungen von sieben Interviews mit migrierten Pflegenden aus zwei Ländern dienen als qualitative Datengrundlage. In den Ergebnisauswertungen zeigt sich, dass sie mit zahlreichen kulturellen Herausforderungen und Spannungsfeldern konfrontiert sind, eingebettet in das soziale Feld der Gesundheits- und Krankenpflege der akutmedizinischen Versorgung Deutschlands. Viele der Spannungsfelder sind durch vorherrschende Machtbeziehungen und sinnbildliche Kämpfe um Macht und Herrschaft in diesem sozialen Feld geprägt, welche zum einen durch unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Wertvorstellungen Verstärkung erfahren, aber zum anderen auch durch verschiedene berufliche Sozialisationen und Bildungsabschlüsse. Diese unterschiedlichen kulturellen Prägungen nehmen Einfluss auf den Integrationsprozess der migrierten Pflegenden und intensivieren die asymmetrischen Machtbeziehungen im Kontakt mit ihren deutschen Teamkollegen und anderen Akteuren im Krankenhausalltag. Es lassen sich aus einigen der Interviews Formen von Alltagsrassismus und Ausgrenzung ableiten. Zudem zeigen die Interviewauswertungen aber auch wertvolleFacetten fördernder Faktoren einer gelungenen Integration auf. Diese können als hilfreiche Maßnahmen für Unternehmen genutzt werden, sollten sie sich mit dieser Thematik beschäftigen.
Gibt es Themen, die Ihrer Meinung nach, in diesem Themenbereich dringend weiter erforscht werden sollten?
Weitere Forschungsvorhaben müssten dringend die Perspektive deutscher Pflegefachkräfte, aber auch die der Führungskräfte des mittleren Managements abbilden, denn die hier dargestellte Forschungsarbeit kann die Herausforderung der kulturellen Diversität in der akutmedizinischen Versorgung nur aus den Erfahrungen der migrierten Pflegenden darstellen. Einige wenige gute wissenschaftliche Forschungsarbeiten sind hierzu bereits veröffentlicht, beispielsweise die Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Ergänzende Forschungen wären aber wichtig. Die Ergänzung der vorliegenden Forschungsergebnisse um phänomenologische und hermeneutische Ansätze wäre zudem sehr sinnvoll, um das Sinnverstehen und die Bedeutung der Aussagen mehr in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken. Für eine ganzheitliche Skizzierung fehlt die Wahrnehmung der deutschen Pflegenden in Bezug auf ihre Erfahrungen kultureller Herausforderungen im Umgang mit internationalen Pflegenden. Mit dieser Ergänzung des Forschungsfeldes könnte ein multiplexes Bild des Zusammenwachsens von Pflegeteams unterschiedlicher Kulturen gezeichnet und das gesellschaftliche Phänomen der internationalen Fachkräfteakquise aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.
Kontakt:
Angelika Maase Angelika.Maase@ukmuenster.de
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