Die Zieglerschen e.V., ein diakonisches Unternehmen und großer Komplexträger diakonischer Dienste in Baden-Württemberg, haben in einem Zeitraum von ca. vier Monaten ein umfangreiches Integrationskonzept im Kontext der internationalen Anwerbung von Pflegefachkräften erarbeitet. Das Konzept, dessen inhaltlicher Fokus dem Hauptgeschäftsbereich der Altenhilfe nahesteht, versucht einen ganzheitlichen Ansatz zu verwirklichen und den prozessualen Ablauf von der Gewinnung selbst bis hin zur innerbetrieblichen Bindung von internationalen Pflegefachkräften abzubilden. Unterstützung erhielten Die Zieglerschen e.V. vom Welcome Center Sozialwirtschaft Baden-Württemberg, das eine Ist-Analyse in Form einer vieldimensionalen Befragung an den rund 30 Standorten der Altenhilfe durchführte, um bereits bestehende Erfahrungen, Kompetenzen und Ressourcen zu ermitteln und diese in Form von Handlungsempfehlungen weiterzudenken. Die sich anschließende Ausarbeitung des Integrationskonzeptes innerhalb der Die Zieglerschen e.V. entwickelte sich um das Kernanliegen, möglichst umfassend ausgearbeitete ethische Grundlagen mit kleinschrittiger und wirksamer Praktikabilität zu verbinden.

So zählen zentral relevante Themen wie das Bereitstellen von Wohnraum oder die Unterstützung bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen zu den Grundpfeilern des Konzeptes, ebenso aber auch zunächst unwesentlich erscheinende, dennoch stark integrationsfördernde Aktivitäten wie etwa die Begleitung bei Behördengängen oder die Zusicherung von Bargeld vor der ersten Gehaltszahlung. Neben einer allgemeinen Beschreibung des Gewinnungs- und Integrationsprozesses für internationale Mitarbeitende im Unternehmen beinhaltet das Konzept auch ganz konkrete Handlungshinweise für Führungskräfte und Teams vor Ort, etwa in Form einer Checkliste für die obligatorischen Erledigungen der ersten Wochen seitens des Arbeitsgebers. Wichtiger Erfolgsfaktor und operativer Knotenpunkt der integrativen Maßnahmen ist weiterhin die Einführung von Integrationsmanager*innen, deren Aufgabenprofil und Finanzierung explizit innerhalb des Konzeptes festgelegt wurde. Rückblickend, so Judith Luik und Sebastian Köbbert von Die Zieglerschen e.V., konnte mit der dezidierten Anwendung des Integrationsprogramms und der einhergehenden Bündelung und Zuordnung von Verantwortlichkeiten viel Sicherheit sowohl auf organisationaler als auch personeller Ebene erreicht werden und somit die Handlungssicherheit, Akzeptanz und Bereitschaft zur Umsetzung von integrationsfördernden Maßnahmen erheblich verbessert werden.

Lesen Sie das gesamte Interview mit Judith Luik, Leitung Personalmarketing und Recruiting und Sebastian Köbbert, Geschäftsführer Altenhilfe von Die Zieglerschen e.V. zum Integrationskonzept hier:

DKF: Wie lange benötigte es insgesamt, ein betriebliches Integrationskonzept zu erarbeiten?

Die Zieglerschen e.V.: Das ist nicht pauschal zu beantworten, da es von der Art und Weise der Erstellung, der Beteiligung der Menschen vor Ort sowie der personellen Ressourcenausstattung abhängt.

 

DKF: Wie hoch war der organisatorische und personelle Aufwand für die Erarbeitung?

Wir haben das Konzept mit Fokus auf unseren größten Geschäftsbereich, die Altenhilfe aufgesetzt. Dabei waren wir hauptsächlich mit zwei hauptverantwortlichen ProjektkoordinatorInnen (bei beiden war die Konzepterstellung nur ein Teil der zugeordneten Aufgaben) sowie der Beteiligung von Einrichtungsleitungen durch eine Befragung rund vier Monate beschäftigt, bis das Konzept stand und der obersten Managementebene vorgestellt werden konnte.

Das erstellte Konzept bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf die Integration, sondern bezieht die Gewinnung ebenso wie auch die Bindung von internationalen Mitarbeitenden mit ein. Wir haben uns darum bemüht, im Konzept alle uns bekannten Themen über den gesamten Prozess mitzudenken.

Die Idee bzw. Notwendigkeit für das Konzept entstand daraus, dass im Unternehmen bereits viele Einzelthemen mit Bezug auf internationale Fachkräfte bearbeitet wurden, es dafür aber weder ein strategisch geplantes Vorgehen gab noch die Bearbeitung der Themen an einer Stelle gebündelt waren.

 

DKF: Inwiefern unterstützte das Welcome-Center Sozialwirtschaft Baden-Württemberg (WCS) bei der Konzeptionalisierung?

Die Zieglerschen e.V.: Das WCS hat uns dabei unterstützt, die IST-Analyse im Unternehmen durchzuführen. Dazu wurde eine vieldimensionale Befragung an allen Standorten der Altenhilfe (rund 30 Standorte) durchgeführt, um bereits bestehende Erfahrungen, Ressourcen und Kompetenzen zu erheben. Die Befragung war sehr umfangreich und umfasste folgende Themenbereiche:

  • Bestehende Erfahrungen mit der Einstellung von Mitarbeitenden aus dem Ausland
  • Vorhandener Wissensstand um ausländer-, arbeits- und anerkennungsrelevante Themen
  • Einschätzung zum Stand der interkulturellen Öffnung und Kompetenz in den bestehenden Teams (wie sensibel wird mit Sprachbarrieren umgegangen, werden religiöse Feste / Traditionen anderer Kulturen beachtet, …)
  • Einschätzung zur Kompatibilität zwischen interkultureller Kompetenz und vorhandener Unternehmenskultur

Die Auswertung der Befragung sowie die Erstellung erster Handlungsempfehlungen wurde durch das WCS durchgeführt. Diese Handlungsempfehlungen haben wir intern in das Konzept eingearbeitet und das Konzept am Ende mit dem WCS nochmals abgestimmt.

 

DKF: Was sind die strukturellen Grundpfeiler und (ethischen) Kernwerte des neuen Integrationskonzeptes?

Die Zieglerschen e.V.: Wichtig war uns, dass wir internationalen Mitarbeitenden ein gutes Ankommen in Deutschland ermöglichen und dabei möglichst ganzheitlich alle Themen erfassen und beachten, mit welchen die neuen KollegInnen in den ersten Wochen / Monaten / Jahren konfrontiert sind. Eine Hospitation bereits vor dem offiziellen Beschäftigungsbeginn hat sich dabei als ein besonders hilfreiches Element herausgestellt, zum einen um ein gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen und zum anderen, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Auch das Bereitstellen von Wohnraum stellt einen wesentlichen Grundpfeiler unseres Konzepts dar.

In den ersten Tagen nach dem Ankommen in Deutschland geht es um ganz praktische Fragen, z.B. wie erhalten neue Mitarbeitende aus dem Ausland Bargeld bis zur ersten Gehaltszahlung; wer begleitet zur Bank, zum Einwohnermeldeamt; ist der Kühlschrank für die ersten Tage gefüllt; wie kommen die Menschen morgens zum Dienst. Aber auch größere Themen sind strukturelle Bestandteile des Integrationskonzepts, z.B. wie kann die Familie nachgeholt werden; welche Möglichkeiten der Anerkennung von Berufsabschlüssen gibt es; kann ein Führerschein anerkannt werden, etc.. Dabei lag unser Fokus sowohl auf der Integration der internationalen Mitarbeitenden selbst als auch auf dem Umfeld, das sie bei der Arbeit vor Ort vorfinden, also der interkulturellen Kompetenz der Führungskräfte und Teams vor Ort.

 

DKF: Wie wird das Konzept in die Praxis umgesetzt?

Die Zieglerschen e.V.: Das Konzept beinhaltet neben der allgemeinen Beschreibung des Gewinnungs- und Integrationsprozesses für internationale Mitarbeitende im Unternehmen auch ganz konkrete Handlungshinweise für Führungskräfte und Teams vor Ort. So ist beispielsweise eine Checkliste für die Aufgaben enthalten, die in den ersten Wochen zu erledigen sind.

Dennoch zeigt sich im Alltag, dass das Konzept für alle Beteiligten eine Orientierungshilfe darstellt, im alltäglichen Miteinander aber immer wieder auch neue Erkenntnisse gewonnen werden und individuelle Lösungen für unterschiedliche Fragestellungen gefunden werden müssen. Insofern begreift sich ein solches Konzept auch immer als lernendes und stets weiterzuentwickelndes Papier.

 

DKF: Enthält das Konzept auch die Einrichtung eines/r IntegrationsmanagerIn?

Die Zieglerschen e.V.: Ja, die Einführung von Integrationsmanagern ist ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts. Wir haben das Stellenprofil wie auch die mögliche Finanzierung im Konzept festgelegt. Die IntegrationsmanagerInnen sind aus unserer Sicht ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Integration, da sie vor Ort für Fragen des Alltags zur Verfügung stehen und die enge Begleitung vor allem in der Anfangszeit übernehmen.

Gleichzeitig gestaltet sich die Suche und Etablierung sog. IntegrationsmanagerInnen im Alltag nicht einfach. Oft übernehmen daher engagierte Einrichtungsleitungen und sonstige KollegInnen eine solche Rolle.

 

DKF: Wenn ja: Wie gestalten sich die Aufgaben des/der IntegrationsmanagerIn?

Die Zieglerschen e.V.: Um das Ankommen möglichst einfach zu gestalten und die internationalen Mitarbeitenden zu unterstützen, wo es notwendig ist, sollten die Integrationsbeauftragten folgende konkreten Aufgaben wahrnehmen: regionale Anpassung der allgemeinen Willkommensmappe um Adressen von Behörden, Banken, Supermärkten, Ärzten und Informationen zur Region

  • Empfang internationaler Beschäftigter am Flughafen
  • Begleitung in die Unterkunft inkl. Einkauf von Lebensmitteln für die ersten Tage
  • Empfang internationaler Beschäftigter am ersten Arbeitstag inkl. Begrüßungsrundgang und enge Begleitung an den ersten Tagen
  • Unterstützung bei Behördengängen
  • Koordination der Tandembildung aus je einem internationalen Beschäftigten und einem langjährigen Mitarbeitenden, der als Mentor im Arbeitsalltag fungiert
  • Erreichbarkeit im Notfall und Unterstützung bei individuellen Problemen
  • Frühzeitiges Eingreifen und Intervenieren bei Problemen
  • Organisation von Ausflügen / Kulturprogramm / Begegnungsevents
  • Regelmäßige Feedbackgespräche mit der Einrichtungsleitung und den internationalen Beschäftigten
  • Ggf. Unterstützung bei der Wohnungssuche in Zusammenarbeit mit der Einrichtungsleitung
  • Interkulturelle Sensibilisierung in der Einrichtung / im Team
  • Lernbegleiter rund um die Sprachentwicklung sowie der Alltagskompetenzen der internationalen Beschäftigten

 

DKF: Welche Vorteile entstehen aus Ihrer Sicht durch die Ausarbeitung und Anwendung eines zukunftsorientierten Integrationskonzeptes? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Die Zieglerschen e.V.: Die Gewinnung, Integration und Bindung von internationalen Mitarbeitenden genießt bei uns einen hohen Stellenwert und ist als wichtige Säule der Personalgewinnung anerkannt. Mit der Einführung des Konzepts und der damit einhergehenden Bündelung sowie klaren Zuordnung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, konnten wir viel Sicherheit im Umgang mit den Themen gewinnen, sowohl auf organisationaler Ebene als auch bei den Verantwortlichen der Einrichtungen vor Ort.

Die Hürden vor dem Unbekannten wurden abgebaut, Handlungssicherheit bei allen Beteiligten hergestellt und damit auch die Akzeptanz auf allen Seiten erhöht. Die Gewinnung und Integration von internationalen Beschäftigten gehört heute selbstverständlich als ergänzende Säule zu unserer Personalgewinnung. Gewinnbringend hat sich dabei vor allem auch die Schaffung einer personellen Ressource im zentralen Bereich erwiesen, die sich um alle internationalen Gewinnungsprojekte kümmert und Ansprechpartnerin für die Einrichtungen vor Ort wie auch die internationalen Beschäftigten ist.

 

DKF: Was würden Sie anderen Einrichtungen hinsichtlich der Ausarbeitung eines zeitgemäßen Integrationskonzeptes mit auf den Weg geben?

Die Zieglerschen e.V.: Es braucht Zeit, Ressource und auch den Mut, sich diesem Thema zu nähern. Zudem haben wir die Erfahrung gemacht, dass eine ganzheitliche Herangehensweise wichtig ist. Es geht nicht nur um die Integration, es geht auch darum, wer überhaupt aus welchen Ländern gewonnen werden soll und wie neben Integration auch die langfristige Bindung gelingen kann. Es geht ebenso um große ethische Fragestellungen wie auch darum, Antworten auf die scheinbar kleinen praktischen Fragen zu finden.  Zudem ist es wichtig, sich mit den Kulturen, aus denen die Menschen kommen, zu beschäftigten. Nicht für jeden ist immer die gleiche Antwort die passende, Einrichtungen müssen bereit sein, sich zu öffnen. Diese notwendige Bereitschaft gilt sowohl für die Stammbelegschaft als auch für die neuen internationalen KollegInnen zu gleichen Teilen und ist maßgeblich für das Gelingen des gesamten Integrationsprozesses.

Wir haben für uns diesen Leitspruch definiert, wenn es um die Gewinnung, Bindung und Begleitung internationaler Mitarbeitenden geht:

Wir haben etwas gegen den Fachkräftemangel: Weltoffenheit

 

Für Fragen zum Integrationskontept und zur Kontaktaufnahme zu Judith Luik, Leitung Personalmarketing und Recruiting und Sebastian Köbbert, Geschäftsführer Altenhilfe von Die Zieglerschen e.V.,  können Sie folgende Mailadressen verwenden:

Judith Luik (Leitung Personalmarketing und Recruiting): luik.judith@zieglersche.de

Linda Krall (Personalreferentin internationale Personalgewinnung): krall.linda@zieglersche.de