Wenn es zur Kündigung kommt

Selbstverständlich ist es für ein Unternehmen, das international ausgebildete Pflegefachpersonen anwirbt, das Ziel, diese Personen möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Dennoch wird es immer wieder dazu kommen, dass eine international angeworbene Person den laufenden Prozess schon vor der Einreise oder in den ersten Monaten nach der Einreise abbricht. Auch häufen sich Berichte von gezielten Abwerbungen durch Konkurrenzunternehmen nach erfolgreichem Abschluss des Anerkennungsverfahrens.

Aus unterschiedlichen Gründen kann eine international ausgebildete Pflegefachperson den Betrieb wechseln. Häufig zeigt sich dabei, dass im Matching-Prozess während der Anwerbung gegenseitige Erwartungen und Vorstellungen nicht hinreichend abgestimmt wurden. Wird ein Vermittlungsunternehmen mit der Anwerbung beauftragt, liegt es in dessen Verantwortung, den Matching-Prozess transparent zu gestalten und die Interessen aller beteiligten Akteur:innen, sowohl der international angeworbenen Pflegefachperson als auch der Einrichtung, ausgewogen zu berücksichtigen. Eine sorgfältige Abstimmung im Vorfeld kann dazu beitragen, spätere Missverständnisse und Vertragsauflösungen zu vermeiden.

Dies ist für Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive verständlicherweise sehr ärgerlich. Hinzu kommen möglicherweise Momente der persönlichen Enttäuschung und Kränkung, da sich Führungskräfte und Integrationsmanager:innen oft außergewöhnlich für diese neuen Mitarbeitenden eingesetzt haben. Dennoch ist es wichtig, in solchen Situationen professionell zu bleiben und die Gründe für die Kündigung oder Abwerbung differenziert zu betrachten. In einigen Fällen kann ein klärendes Gespräch helfen, Missverständnisse auszuräumen oder Perspektiven für eine Weiterbeschäftigung aufzuzeigen. Auch Feedback darüber, was zur Unzufriedenheit geführt hat, kann wertvolle Hinweise für die Überarbeitung interner Prozesse geben, bspw. in Bezug auf Einarbeitung oder Unterstützung bei der sozialen und gesellschaftlichen Integration.

Darüber hinaus lohnt es sich, präventiv Strategien zur Mitarbeitendenbindung zu entwickeln, wie gezielte Weiterbildungsangebote und ein wertschätzendes Arbeitsumfeld. Denn ein hohes Maß an Zugehörigkeit und Wertschätzung kann das Risiko von Abwanderung und Kündigung erheblich mindern.

Für EU-Bürger:innen gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ihr Aufenthalt ist nicht an den Arbeitsplatz gebunden und sie werden genauso behandelt wie inländische Arbeitnehmende mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Auch wenn der Aufenthaltstitel von Pflegefachpersonen aus Drittstaaten zunächst für zwei Jahre an eine bestimmte Tätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgebenden geknüpft ist, ist ein Arbeitgeberwechsel mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich möglich. Auch die Ausländerbehörde muss über den Arbeitgebendenwechsel informiert werden.

Die Gründe für einen Wechsel sind vielfältig und müssen nicht zwangsläufig im Betrieb oder bei den Arbeitgebenden liegen. Unternehmen sollten diese Tatsache akzeptieren und respektvoll mit der Entscheidung der Mitarbeitenden umgehen.

Hier können Reflexions- und Weiterentwicklungsgespräche als Teil der Personalentwicklungsstrategie eine enge Begleitung für international ausgebildete Pflegefachpersonen bieten, um ihnen individuelle Karrierewege und Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung aufzuzeigen

Bindungs- und Rückzahlungsklauseln
Im Sinne des Employer Pays Principle (EPP) sollten anwerbende Unternehmen sicherstellen, dass Anwerbekosten nicht auf die Pflegefachpersonen abgewälzt werden. Eine faire und ethische Anwerbung bedeutet zudem, auf Bindungs- und Rückzahlungsklauseln zu verzichten, da diese die freie Berufswahl und die Bewegungsfreiheit einschränken.

Auch wenn Bindungsklauseln grundsätzlich rechtlich möglich sind, dürfen sie die Pflegefachperson nicht unangemessen benachteiligen. Ob dies der Fall ist, ist abhängig vom Einzelfall und den Begleitumständen. Besonders wichtig ist es, dass die Kandidat:innen vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags wissen, ob Bindungs- und Rückzahlungsklauseln vorgesehen sind. Die angeworbene Pflegefachperson muss wissen, was diese Bindungsklausel bedeutet und welche Konsequenzen diese haben kann. Die Pflegefachperson soll eigenständig und ohne Druck entscheiden können, ob sie das Arbeitsplatzangebot auch trotz Bindungsklausel annehmen möchte. Stellen Sie daher schon während der Anwerbung ein umfangreiches Arbeitsplatzangebot (vgl. § 299 SGB III) zur Verfügung, indem Sie sich attraktiv darstellen und den angebotenen Arbeitsplatz ausführlich beschreiben. Eine Bindung der Pflegefachperson an einen Arbeitgebenden gegen ihren Willen und aus Angst vor hohen Rückzahlungsverpflichtungen ist aus arbeitsrechtlicher und integrationspolitischer Sicht äußerst problematisch.

Statt auf restriktive Maßnahmen zu setzen, empfiehlt es sich, regionale Vernetzungen zwischen Arbeitgebenden zu fördern, um Pflegefachpersonen bei einem Wechsel innerhalb der Region zu unterstützen und den Standort zu stärken. So können individuelle Bedürfnisse, etwa bei Arbeitszeitmodellen berücksichtigt und die Arbeitgebendenmarke nachhaltig gestärkt werden.

Internationale Anwerbung als Personalstrategie auswerten – ab wann lohnt es sich?

Die internationale Anwerbung von Pflegefachpersonen lässt sich sowohl strategisch planen als auch im Prozess im Sinne einer nachhaltigen betrieblichen Integration gezielt steuern und evaluieren. Als verantwortliches Team können Sie dabei insbesondere folgende Fragen in den Fokus nehmen:

Wie sind die innerbetrieblichen Rahmenbedingungen?

  • Wie attraktiv ist die:der Arbeitgebende für aus dem Ausland kommende Pflegefachpersonen wirklich – auch nach der intensiven Anwerbung und Einarbeitung?
  • Wie ist der Anwerbe- und Integrationsprozess im jeweiligen Einzelfall verlaufen? Was hätte besser laufen können?
  • Wurden Erwartungen und Möglichkeiten klar kommuniziert und aufgefangen?
  • Wurden Gründe für die Kündigung durch die:den Arbeitnehmende:n offen gelegt?

War das Arbeitsfeld für die angeworbene Person attraktiv?

  • War das gewünschte Einsatzgebiet bzw. die Fachabteilung (Akut-, Langzeit-, ambulante Versorgung, Klinik) für die international angeworbene Pflegefachperson berücksichtigt?
  • Welche Karriere- und Entlohnungsmöglichkeiten können Sie als Arbeitgebende langfristig bieten?
  • Inwieweit wurde bei der Sprachförderung unterstützt?
  • Gab es ein Mentoring- oder Patenschaftsprogramm, das den neu ankommenden Mitarbeitenden Orientierung und Unterstützung angeboten hat?

Wie sehen die infrastrukturellen Rahmenbedingungen aus?

  • Liegt der Betriebsstandort infrastrukturell günstig oder ungünstig?
  • Inwiefern liegt der Betriebsstandort ggf. ungünstig? Weil Anbindungen zu Bahnhöfen und Flughäfen zu weit entfernt sind?Diese Punkte gilt es zu prüfen, denn für viele ist eine gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz sehr wichtig. Wenn der Betriebsstandort infrastrukturell eher ungünstig liegt, können Arbeitgebende durch gezielte Maßnahmen entgegenwirken:
  • Eine Möglichkeit ist die Organisation von Mitfahrgelegenheiten, etwa über interne Fahrgemeinschaften oder eine betriebsinterne Mitfahrbörse. Das stärkt zudem auch den Teamzusammenhalt.
  • Zudem kann die Einrichtung von Shuttleservices vom nächstgelegenen Bahnhof oder von zentralen Treffpunkten eine mögliche Lösung sein. Besonders in ländlichen Regionen, wo der öffentliche Nahverkehr oft eingeschränkt ist.

  • Darüber hinaus können auch Jobtickets oder finanzielle Zuschüsse für den ÖPNV oder den Führerscheinerwerb den Arbeitsweg für Beschäftigte attraktiver machen

  • Die Bereitstellung von Werkswohnungen oder die Zusammenarbeit mit Wohnungsanbietenden können hilfreich sein.

Vernetzung

Zahlreiche Zugewanderte merken in den ersten Monaten, dass ihnen der Anschluss an eine Diaspora-Community oder auch an Menschen mit ähnlicher Einwanderungserfahrung durchaus wichtige Unterstützung und Orientierung bieten können. Entsprechende Gemeinschaften sind daher oft lokal angesiedelt und in größeren Städten zu finden. Wenn der Arbeitsplatz zu weit von den Communities entfernt liegt, kann es sein, dass Arbeitnehmende einen anderen Arbeitsplatz am Ort ihrer Wahl suchen – und ihn meistens auch unproblematisch finden.

Attraktivität von strukturschwachen Regionen steigern

Auch strukturschwache Regionen können alternative Strategien nutzen, um ihre Attraktivität für international angeworbene Pflegefachpersonen zu steigern. Dazu gehört die stärkere Einbindung und Vernetzung mit kommunalen Akteur:innen, um soziale Teilhabe und Begegnungsräume zu schaffen. Maßnahmen zur Förderung der Integration am Arbeitsplatz, wie etwa Patenschaftsprogramme oder regionale Netzwerke, können helfen, Zugehörigkeit und Bindung aufzubauen. Statt auf Bindungs- und Rückzahlungsklauseln zu setzen, sollten Unternehmen auf vertrauensvolle Beziehungen und Identifikation mit den Arbeitgebenden und der Region setzen, sodass angeworbene Pflegefachpersonen aus Überzeugung bleiben. (Verlinkung: https://www.fachkraefteportal-brandenburg.de/der-brandenburger-weg-serviceseite)

Das Wichtigste
für Ihre To-Do-Liste

  • Behalten Sie im Blick, dass international angeworbene Pflegefachpersonen den Mangel an Fachkräften in Deutschland zwar abpuffern, aber nicht beheben. Auch bei internationaler Anwerbung braucht ein Unternehmen eine gut aufgestellte Personalstrategie und den Willen, ein:e attraktive:r Arbeitgeber:in zu sein.

  • Als anwerbendes Unternehmen stehen Sie im globalen Wettbewerb um gut qualifizierte Pflegefachpersonen. Umso eher Sie die Kompetenzen Ihrer neuen Mitarbeiter:innen erkennen, anerkennen und fördern, desto geringer ist die Gefahr, dass sich diese nach einem alternativen Unternehmen umsehen.

  • Führen Sie Mitarbeitendengespräche und anonyme Umfragen zur Mitarbeitendenzufriedenheit ein, um frühzeitig Probleme zu erkennen.

  • Auch eine Kündigung Ihrerseits wird unwahrscheinlicher, umso besser Sie die neue Zusammenarbeit vorbereiten und begleiten.

  • Bei Kündigung und Abwerbung: Signalisieren Sie, dass Ihre Tür geöffnet bleibt und Sie sich freuen, wenn die jeweiligen Personen nach einiger Zeit doch wieder bei Ihnen arbeiten möchten.

  • Nehmen Sie eine Kündigung oder Abwerbung nicht persönlich: Letztlich ist es ein Arbeitsmarkt, auf dem sich Arbeitnehmende frei bewegen können.

  • Werten Sie den gesamten Anwerbe- und Integrationsprozess aus und analysieren Sie Ihre Wettbewerbsfähigkeit: Was können wir beim nächsten Mal besser machen? Sind wir ein geeignetes Unternehmen, um international angeworbene Pflegefachpersonen auch mittel- sowie langfristig binden zu können?
  • Bieten Sie faire und transparente Vertragsbedingungen. Rückzahlungsklauseln sind juristisch oft problematisch und können das Arbeitsverhältnis belasten.

     

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