Transparent und fair
Für viele Einrichtungen der Akut- und Langzeitversorgung fängt internationale Anwerbung mit der Überlegung an, ob sie den gesamten Anwerbeprozess selbst gestalten, koordinieren und organisieren möchten und können oder ob sie einige der damit verbundenen Aufgaben und Arbeitspakete an Personalvermittlungsagenturen übergeben. In beiden Fällen gilt es darauf zu achten, dass die Prozesse auch für die internationalen Pflegefachkräfte transparent gemacht und vor allem fair gestaltet werden.
Egal für welchen Weg sich Arbeitgebende entscheiden, einige Dinge sollten in jedem Fall beachtet werden:
- WHO-Liste – Anlage zum §38 Beschäftigungsverordnung (BeschV)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte bereits im Jahr 2006 eine Länderliste mit 57 Staaten (sog. WHO-Liste), in denen ein kritischer Mangel an Gesundheitsfachpersonen (vor allem Humanmediziner:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen) bestand. Sie empfahl, Gesundheitsfachpersonen aus diesen Ländern nicht aktiv zu rekrutieren oder zu vermitteln. Zur Umsetzung des im Jahr 2010 beschlossenen Globalen Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften hat Deutschland diese Regelung in geltendes Recht umgesetzt. Eine aktive privatwirtschaftliche Anwerbung und Arbeitsvermittlung von Gesundheitsfachpersonen sind in diesen Ländern verboten. Die Liste wird regelmäßig überarbeitet, zuletzt in 2023. Die aktuelle Länderliste aus 55 Staaten gibt es hier zum Download (englisch) und Download (deutsch, BeschV, Anlage zu § 38) - Employer Pays Prinzip
Unter Employer Pays Prinzip versteht man eine Verpflichtung von Arbeitgebenden, dass bei der Anwerbung keine mit der Anwerbung verbundenen Kosten von Arbeitnehmenden zu tragen sind. Dieses Prinzip findet eine breite internationale Anerkennung und wird insbesondere durch die International Labour Organization (ILO) unterstützt. Einer Veröffentlichung der ILO aus dem Jahr 2019 kann entnommen werden, welche Anwerbegebühren und mit der Anwerbung verbundene Kosten darunter zu fassen sind. - Matching
Viele Einrichtungen haben in der Vergangenheit die Erfahrung machen müssen, dass sie zwar Pflegefachpersonen aus anderen Ländern gewinnen konnten und diese auch die Arbeit aufgenommen haben, einige jedoch nach nicht allzu langer Zeit wieder in ihr Herkunftsland gegangen sind oder die Einrichtung gewechselt haben, weil es am Ende „einfach nicht gepasst“ oder „gematcht“ hat. Das ist für alle Beteiligten eine schwierige Situation und nicht zuletzt ein finanzieller und zeitlicher Ressourcenverlust auf allen Seiten. Daher ist es enorm wichtig, im Vorfeld eine gute Passung von Arbeitgebenden und Kandidat:innen zu erlangen und Erwartungshaltungen abzustimmen. Beispielsweise kann es kontraproduktiv sein, wenn eine ländliche Langzeitpflegeeinrichtung eine Pflegefachperson anwirbt, die in Kinderkrankenpflege spezialisiert ist und ein Leben in einer Großstadt bevorzugt. Dementsprechend gilt es bereits vor der Vertragsunterzeichnung sicher zu stellen, ob eine potenzielle Pflegefachperson gut zur Einrichtung und ins Team passt. Ebenso sollten auch die Erwartungen der angeworbenen Pflegefachperson berücksichtigt werden. Dies erspart sowohl der Einrichtung als auch der Pflegefachperson letztlich Frustration und Irritation und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie länger im Betrieb bleibt und sich dort wohlfühlt. - Informationsweitergabe
Eng mit dem Matching verbunden ist das Thema der Informationsweitergabe. Ein Unternehmen sollte bereits vor der Einreise so viele Informationen wie möglich an die Pflegefachpersonen weitergeben, damit diese auch wirklich gut nachvollziehen können, was in der ersten Zeit erwartet wird und was auf sie zukommt. Dabei helfen kann neben einrichtungsspezifischen Informationen die „Informationsbroschüre zur Erwerbsmigration in die Pflege nach Deutschland“, die auf der Website der „Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland e.V.“ in neun Sprachen zu finden ist und den Pflegefachpersonen ausgehändigt werden kann. - Transparenz
Das Thema Transparenz ist unabdingbar für den gesamten Anwerbeprozess. Einrichtungen sollten gegenüber den Pflegefachpersonen alle Schritte von Beginn an transparent kommunizieren und offenlegen, aber auch dafür Sorge tragen, dass dies alle beteiligten Dienstleistenden ebenfalls gewährleisten. Darüber hinaus ist eine transparente Informationsvermittlung auch für Mitarbeitende des eigenen Unternehmens wertvoll, um diese mitzunehmen und auf die mit der Anwerbung verbundenen Herausforderungen vorzubereiten. Dazu ist es hilfreich, Mitarbeitende frühzeitig in die Prozesse einzubinden und über die Notwendigkeit und die Vorteile der Anwerbung zu informieren. - Abstimmungsprozesse
Im Zuge des Anwerbeprozesses und der damit einhergehenden Verfahren ist es essenziell, einen Überblick über alle notwendigen Schritte und Voraussetzungen der Erwerbsmigration zu behalten. Hierzu hilft es, sich im Vorfeld gut zu informieren, welche Verfahrensschritte im Rahmen des Anwerbeprozesses gegangen werden müssen und welche Möglichkeiten zur Beteiligung weiterer Akteur:innen bestehen. Einrichtungen sollten sich dabei gut überlegen, mit welchen Akteur:innen welche Abstimmungsprozesse getroffen werden müssen und wo konkret die Zuständigkeiten liegen. Insbesondere in der Arbeit mit Personalserviceagenturen (PSA) aber auch anderen externen Dienstleistende kommt es vor, dass diese sehr breitgefächerte und unterschiedlichste Dienstleistungen anbieten. Daher sollte vorher genau geschaut werden, welche Aufgaben an Externe abgegeben werden könnten/sollten und welche besser intern bleiben. Die daraus folgenden Zuständigkeiten sollten schriftlich, beispielsweise in einem betrieblichen Integrationsmanagementkonzept, fixiert werden.Bleibt das Betreiben des Antragsverfahrens für Einreise und Anerkennung im Rahmen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens in Verantwortung des eigenen Unternehmens, ist ein gutes Dokumentenmanagement notwendig, um einen Überblick über erforderliche Dokumente zu behalten. Hierzu ist es hilfreich, im Vorfeld mit den anerkennenden Stellen und anderen beteiligten Behörden zu klären, welche Dokumente in welcher Form erforderlich sind.
Kooperation mit Personalserviceagenturen
Die Kooperation mit PSA ist ein Weg, um einige Aufgabenpakete der internationalen Anwerbung abzugeben. Dies kann Einrichtungen dabei helfen, die Prozesse zu managen und mit den eigenen Personalressourcen besser zu haushalten. Da die Bundesrepublik Deutschland die ILO Private Employment Agencies Convention 181 von 1997 nicht ratifiziert hat, gibt es keinen obligatorischen staatlichen Mechanismus, der die Arbeitsprozesse von PSA reglementiert. Umso essenzieller ist es, dass Einrichtungen gut darauf achten, mit welchen Agenturen sie zusammenarbeiten.
Gütesiegel Faire Anwerbung Pflege Deutschland
Oftmals wissen Einrichtungen im Vorfeld nicht, ob eine PSA vertrauenswürdig ist und transparente und gute Arbeit macht. Um sowohl Einrichtungen als auch international angeworbenen Pflegefachpersonen bei der Wahl hinsichtlich einer geeigneten PSA zu unterstützen, wurde im Februar 2022 erstmalig das staatliche Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ an PSA verliehen. Das Gütesiegel etabliert Standards für die nicht-staatliche Anwerbung von Pflegefachpersonen. Die ausgezeichneten PSA durchlaufen einen Prüfprozess in drei unterschiedlichen Gütebereichen und müssen darin die erforderlichen Gütekriterien erfüllen. Besonderen Wert legt der Prüfprozess dabei auch auf Transparenz und Fairness im Anwerbeprozess. Mehr Informationen dazu finden sie hier.
Selbstorganisierte Anwerbung
Auch bei der selbstorganisierten Anwerbung sollten sich Einrichtungen an bestimmte Standards halten. Eine gute Orientierung bieten die Standards der Gütegemeinschaft Vermittlung und Anwerbung aus dem Ausland e.V. Wenn Sie Ihr eigenes Anwerbeprogramm mit diesem Gütezeichen auszeichnen lassen möchten, können Sie hier einen Antrag stellen.
Fragen zur Einschätzung
Fragen die bei der Einschätzung, ob es sich, um ein seriöse Anwerbe- und/oder Vermittlungsverfahren handelt, helfen können:
- Wie und über welches Medium wurde die Pflegefachperson angesprochen?
- Wird die Pflegefachperson aufgefordert unethische Bindungs- und/oder Rückzahlungsklauseln zu unterzeichnen?
- Hat die Pflegefachperson alle notwendigen Informationen erhalten, um eine fundierte Entscheidung bzgl. einer Arbeitsmigration treffen zu können?
- Weiß die Pflegfachperson mit welchen Dienstleistenden sie zusammenarbeitet?
- Wurden der Pflegefachperson Ansprechpersonen für evtl. Fragen benannt?
- Wurden Erwartungshaltungen zwischen Arbeitgebenden und Pflegefachperson VOR der Vertragsunterschrift transparent besprochen?
- Wird die Pflegefachperson regelmäßig über bspw. zeitliche Änderungen im Anwerbeverfahren auf dem Laufenden gehalten?
- Hat die Pflegefachperson Arbeitsverträge neben der deutschen Ausfertigung auch in der jeweiligen Landessprache erhalten?
- Wird während des Vermittlungsprozesses mit einer zertifizierten Sprachschule kooperiert?
- Wie lauten die konkreten Leistungen der PSA und wo liegen welche Zuständigkeiten?
- Ist sowohl der Einrichtung, der PSA und der Pflegefachperson bewusst, wann, wo welche Dokumente in welcher Form einzureichen sind?
Diskriminierungsfreie Einstellungen
Leitfaden für diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren
Rund die Hälfte aller Diskriminierungserfahrungen finden im Arbeitsleben statt. In diesem Leitfaden der Antidikriminierungsstelle des Bundes wird über die rechtlichen Schutzmöglichkeiten für Beschäftigte aufgeklärt und Unterstützung bei konkreten praktischen Fragen gegeben. Dieser richtet sich vor allem an Arbeitgeber, Personalverantwortliche sowie Personal- und Betriebsräte.
Hier kann der Leitfaden downgeloaded werden.
Webinar
Fachkräfte aus dem Ausland finden:
Das müssen Sie als Arbeitgeber wissen
In diesem Webinar von „Make it in Germany“ erhalten Arbeitgebende, die Fachkräfte aus dem Ausland suchen, eine erste Orientierung, wie man am besten vorgehen sollte, passende Fachkräfte findet und auch welche Unterstützungsmöglichkeiten bei der Suche zur Verfügung stehen:
Internationale Personalvermittlung –
Gütezeichen „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“
In diesem Webinar von „Make it in Germany“ erfahren Sie, worauf Sie bei Personalserviceagenturen achten sollten und welche Prüfbestimmungen zur Erlangung des RAL Gütezeichens gelten. Somit können Arbeitgebende eine ethisch vertretbare und faire Anwerbung von Pflegefachpersonen fördern:
Das Wichtigste
für Ihre To-Do-Liste
Informieren & Planen Sie den Gesamtprozesses der internationalen Anwerbung bevor Sie die Anwerbeaktivitäten in die Wege leiten
Klopfen Sie die Erwartungen auf beiden Seiten ab. Machen Sie sich deutlich, was Ihre eigenen Erwartungen sind, und erfragen Sie auch die Erwartungen der internationalen Fachpersonen
Reflektieren Sie kritisch ob Ihre Erfahrungen realistisch sind und, ob Sie die Erfahrungen der internationalen Pflegefachpersonen erfüllen können (Matching)
Liefern Sie den international angeworbenen Pflegefachpersonen möglichst viele Informationen über das Leben und Arbeiten in Deutschland, Ihre Einrichtung, die Region, den Anerkennungsprozess etc.
Seien Sie transparent gegenüber den internationalen Pflegefachpersonen und auch gegenüber den Bestandsteams. Erklären Sie bspw. behördliche Dokumente, Arbeitsverträge
Lassen Sie wichtige Dokumente übersetzen
Vernetzen Sie sich und kooperieren Sie mit seriösen Akteur:innen, um den Anwerbeprozess für alle Seiten transparent und nachvollziehbar zu begleiten
Sorgen Sie für ein übersichtliches Dokumentenmanagement
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